Interview mit Michèle Leibenzeder

Was hat dich dazu bewogen, dass du heute als betriebl. Mentorin unterwegs bist?
In meiner letzten Anstellung war ich als Head of People Operations verantwortlich für 50 Mitarbeitende. Was als kleines Start-Up mit 9 Leuten begann,
war plötzlich gross und erwachsen geworden. In der agilen Unternehmensform, welche wir dort lebten, kam es immer wieder zu Veränderungen, Prozesse wurden neuen Anforderungen angepasst und dies möglichst schnell. Meine Rolle entwickelte sich immer mehr in Richtung Personalentwicklung und Begleitung. Mir war schnell klar, dass ich die Passion, aber noch nicht den besten Werkzeugkoffer für diese Aufgabe hatte. Das führte mich zur Ausbildung zur betrieblichen Mentorin, um das Unternehmen und ihre Mitarbeitenden bestmöglich zu unterstützen.

In welchen Bereichen bist du heute genau unterwegs?
Ich bin mit meiner Firma Yellow Brick Road GmbH als Coach für Persönlichkeitsentwicklung unterwegs und begleite Menschen in agilen, selbst organisierten Unternehmen auf ihrem Weg. Ich helfe beim Innehalten im Hamsterrad, eine kurze Pause zu machen und sich bewusst zu werden, wo man gerade steht und was man sich vom Leben noch alles erhofft und wie man diese Ziele erreicht.

Ich darf Menschen bei ihrer Entwicklung begleiten und mitverfolgen, wie sie über sich selbst hinauswachsen und so zur besten Version ihrer selbst werden – das ist wundervoll! Ich bin dabei, wenn das Strahlen der Selbsterkenntnis hervorbricht und sie feststellen, dass bereits alles in ihnen vorhanden und sie vollkommen und einzigartig sind.

Welches sind aus deiner Sicht die Chancen und Risiken des Tätigkeitsfelds einer betrieblichen Mentorin?
Ich kann aktuell mitverfolgen, dass ein Haltungswechsel statt findet und betriebliches Mentoring immer anerkannter wird. Ich empfange immer noch oft die Reaktion, dass man erst mit einem Mentor spricht, wenn man sich selbst absolut nicht mehr zu helfen weiss, und „ein grosses Problem“ resp. „versagt“ hat. Das Thema scheint in der Schweiz noch immer ein Tabu zu sein, in Deutschland hingegen ist es absolut üblich, dass man sich als Führungskraft regelmässig mit einem Mentor resp. Coach austauscht. Ich bin gespannt, wie sich das bei uns weiter entwickelt und sehe das als Chance für betriebliches Mentoring.

Was mir etwas Sorgen macht und ich deshalb als „Risiken“ sehe, ist, dass der Begriff des Coaches nicht geschützt und „betriebliches Mentoring“ noch relativ unbekannt ist. Dadurch kann sich jeder Coach nennen, der sich mit dem Thema auch nur hobbymässig auseinandersetzt und das Berufsfeld in Verruf bringen, wenn die Begleitung nicht professionell geführt wird. Hier liegt es an uns, sichtbar zu werden und den eidgenössischen
Fachausweis sowie die Mitgliedschaft bei der SCA als Qualitätsmerkmal bekannter zu machen.

Welche Rolle spielt die sca für dich in deinem Wirken?
Das Anliegen der SCA, den Berufszweig der betrieblichen Mentor*innen und Coaches bekannter zu machen und Standards für Professionalität zu definieren, leistet für mich als selbständige betriebliche Mentorin einen grossen Mehrwert. Die Mitgliedschaft bei der SCA wird von Kund*innen als Qualitätsmerkmal wahrgenommen, da man als Mitglied festgelegte Bedingungen zu erfüllen hat. Zudem freue ich mich darüber, dass hier ein Plattform von Coaches für Coaches geboten wird, auf welcher man sich finden und Synergien schaffen kann.

Für die sca, Sonja Kupferschmid

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